Rückzugsstreifen_Winter
14.03.2023

Rückzugsstreifen – ein unterschätzter Überwinterungsort

Die ganzjährig stehengelassenen Wiesenbereiche, von denen ein Teil letzten Sommer an einem von Pro Natura organisierten Wettbewerb ihre ökologisch und optisch schönsten Seiten gezeigt haben, scheinen im Winter fast in Vergessenheit zu geraten. In der vegetationslosen Zeit ruhen sie teilweise unscheinbar unter einer Schneedecke und ihre kunstvollen Schnittformen kommen nur noch vereinzelt als trockene Grashalme zum Vorschein. Doch in den kalten Monaten des Jahres erfüllen sie nach wie vor wichtige ökologische Aufgaben für die tierischen Wiesenbewohner.

Winterschlaf in den Halmen

Da Bereiche mit stehengelassener Vegetation weniger auskühlen als kahle Oberflächen, stellen sie einen günstigen und beliebten Überwinterungsort für zahlreiche Kleintierarten wie Käfer, Wildbienen und Schmetterlinge dar. Um die Futterknappheit im Winter zu umgehen, überdauern viele dieser Tiere als Ei, Larve oder Puppe in der Streuschicht und sind daher auf ungeschnittene Vegetation angewiesen. Der Schachbrettfalter und die Goldschrecke legen beispielsweise ihre Eier in stehende Pflanzenhalme ab und besiedeln von dort im Frühling die umliegenden Wiesen. Manche Wildbienenarten, wie die Keulhornbiene, legen im Herbst sogar Brutzellen in hohlen Pflanzenstängeln an. Dort überdauert der Nachwuchs, gut versorgt mit einem Pollen- und Nektarvorrat. Nach dem Schlüpfen im Frühling spielt diese neue Generation von Wildbienen eine entscheidende Rolle in der Bestäubung der Wild- und Kulturpflanzen in ihrer Umgebung. Auch andere Bestäuber wie Widderchen und einige Käferarten überwintern im Puppenstadium in oder an den Halmen und die Jungtiere der Wespenspinne überdauern die Wintermonate in von der Mutter gebauten runden Kokons. 

Insektenförderung leicht gemacht

Rückzugsstreifen bergen also auch im Winter viele verschiedene Formen des Lebens und stellen daher eine wichtige Grundlage für das Insektenvorkommen in den Sommerwiesen dar. Aus diesem Grund ist das ganzjährige Stehenlassen von Wiesenbereichen entscheidend und sehr wirksam in der Förderung der Biodiversität und insbesondere der Insektenwelt in unserem Kulturland. Dies gilt nicht nur auf Landwirtschaftsland, sondern auch in Privatgärten. Keine Wiese ist zu klein, um einen wertvollen – ungemähten – Überwinterungsort für Schmetterling und Co. anzubieten. Solche kleine oder grosse ‘wildbelassene‘ Überlebensinseln auf Landwirtschaftsflächen, an Strassenrändern oder in Gärten werden im Frühling zum Schauplatz von neuem buntem Leben. Jeder und Jede kann Rückzugsstreifen stehen lassen und so im nächsten Jahr auf eine gute Bestäubung der Pflanzen im eigenen Garten zählen.

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Flavia Mondini
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